Der Entwickler Frank Westphal betreibt mit Rivva.de seit 2007 den wohl einflussreichsten Aggregator für Blogs und Nachrichten. Im Interview mit torial spricht er über die Hintergründe des Projekts – und die Frage, was Journalisten davon haben.
torial: Herr Westphal, Ihr Aggregator Rivva hat jetzt schon rund sieben Jahre auf dem Buckel. Hätten Sie damit gerechnet, dass die Seite so lange existiert?

Frank Westphal
Frank Westphal: Das hätte wohl niemand erwartet. Ist aber auch eine wunderschöne Rolle, das Netz über längere Zeit zu begleiten und selbst Teil davon zu sein.
torial: Wie haben sich die Zugriffszahlen über die Jahre bei Rivva entwickelt? Ist die Reichweite des Dienstes stark gestiegen?
Westphal: Die Statistiken weisen bis etwa NSA-Affäre aufwärts, seitdem geht es leicht rückwärts. Möglicherweise ist der Artikelmix einer Gruppe von Lesern zu monothematisch geworden.
torial: Wer sind die Nutzer von Rivva? Eher die Szene, Blogger und Journalisten auf der Suche nach Geschichten? Oder mittlerweile doch ein breites Publikum?
Westphal: Das hat Markus Bertling interessanterweise 2010 im Rahmen seiner Magisterarbeit untersucht. Der Nutzerkreis ist bis dato außerordentlich netzaffin, obwohl ich stets zuversichtlich war, dass ein Dienst wie Rivva doch gerade “Neuländern” eine Orientierung sein sollte.
torial: Wundert es Sie, dass es nach wie vor keinen signifikanten Aggregatorkonkurrenten zu Rivva in Deutschland gibt? Projekte wie “nachrichten.de” machen schon lange keine Schlagzeilen mehr.
Westphal: Jein. Es gibt (und gab) ja genug benachbarte Projekte. In den Nischen wäre allerdings tatsächlich noch Platz und Bedarf für Wettbewerb.
torial: Warum sollten Journalisten in Ihrer täglichen Arbeit Aggregatoren nutzen?
Westphal: Aggregatoren waren eine Antwort auf die wachsende Informationsflut. Deshalb: Lass die Maschine doch machen, was sie gut kann (vorsortieren), und den Menschen das Seine (interpretieren).
torial: Ist es nach wie vor so, dass Sie alleine an Rivva arbeiten? Würde es sich lohnen, aus dem Projekt eine größere Firma zu machen? Schließlich erleben wir gerade wieder einen Start-Up Hype.
Westphal: Das ist richtig, Rivva Inc. wäre ganz fabelhaft. Bislang scheitert es an der Selbstfinanzierung. In erster Linie technische Dienstleistungen zu erbringen, wäre auch durchaus realistisch.
torial: Sie haben, als das Leistungsschutzrecht eingeführt wurde, zunächst explizit Verlagsinhalte ausgenommen, um dann diejenigen wieder aufzunehmen, die das LSR explizit nicht wahrnehmen wollen. Hat das gut funktioniert? Oder anders gefragt, was fehlt mittlerweile noch?
Westphal: Mein Programmiererinstinkt riet mir, das LSR wie einen Bug zu behandeln und ebenso zu fixen. Infolgedessen fehlen eben ~650 ehemalige Quellen. Um die ausgesetzte Lokalpresse ist es gewiss bedauerlich.
torial: Gibt es Verlage die sagen – schade, dass wir jetzt nicht mehr dabei sein können?
Westphal: Nur eine Handvoll haben danach Kontakt geknüpft und mir dann ihre freundliche Einwilligung gegeben.
torial: Nachdem es lange ruhig war um das LSR, hat nun die VG Media, in der große Verlage Anteile halten, eine Klage gegen Google angestrengt. Wie bewerten Sie diese?
Westphal: Puh. Google muss man sicherlich nicht in Schutz nehmen. Ich vermute bloß, Mountain View sitzt am längeren Hebel.
torial: Das LSR-Gesetz geht explizit gegen Suchmaschinen und Aggregatoren vor, eine arg eingeschränkte Zielgruppe.
Westphal: “Eine Maschine zitiert nicht”, so die Justizministerin. Mein kleiner Dienst ist hier höchst unglücklich ins Kreuzfeuer großer Konzerne geraten. Ein paar tolle Konzepte mussten so in die Schublade wandern.
torial: Angebote wie Flipboard haben versucht, Aggregatoren zum Mainstream zu machen. Wie kann das auch in Deutschland gelingen?
Westphal: Sie müssen die Filter aufdrehen für mehr oder ausschließlich Massengeschmack.
torial: Mancher Journalist hat das Gefühl, dass ihm Aggregatoren Inhalte klauen. Wie reagieren Sie auf den Vorwurf?
Westphal: Zunächst müsste man zwischen guten wie bösen und eigentlich auch verschiedenen Formen der Aggregation unterscheiden. Unter der Bezeichnung “News Aggregator” werden indessen private Feed-Reader, Nachrichtensuchmaschinen, personalisierte Tablet-Magazine, aber auch journalistische Formate wie “Huffington Post” oder “BuzzFeed” durcheinander geworfen. Rivva verlinkt lediglich, Diebstahl würde ich mir also nicht anhängen lassen.